Ursachen

Ursachen

Wenn Kinder Schwierigkeiten beim Mathematiklernen haben, stellt sich häufig die Frage nach den Ursachen. Die eine, eindeutige Ursache für Schwierigkeiten gibt es jedoch nicht. Fest steht, dass die Ursache nicht mangelnde Intelligenz ist! Kinder, die in Mathematik Schwierigkeiten haben, können in anderen Bereichen überdurchschnittlich begabt sein. Dagegen gibt es eine Vielzahl von Faktoren, die für Schwierigkeiten verantwortlich sein können. Nur zum Teil liegen diese beim Kind selbst. Auch unterschiedliche Lernvoraussetzungen zu Beginn der Schullaufbahn tragen zu Schwierigkeiten bei. Ob organische Faktoren ebenfalls einen Einfluss haben, wird nach wie vor diskutiert. (vgl. Das Recheninstitut zur Förderung mathematischen Denkens o.J.)

 

Mathematikunterricht als Faktor

Ein weiterer, bedeutender Faktor ist der Mathematikunterricht. Dies ist nicht so zu verstehen, dass Lehrkräfte die Schuld an Schwierigkeiten tragen, sondern bezieht sich auf Mängel im Schulsystem generell. Es fehlt an geeigneten Fachleuten im Bereich der Früherkennung, institutionelle und organisatorische Engpässe lassen eine Einzelförderung oftmals nicht zu und viele Lehrkräfte zeigen mangelhafte Kompetenzen im Bereich der Diagnose und Förderung durch unzureichende Aus- und Fortbildungsbedingungen. Besonders die defizitären, schulischen Rahmenbedingungen können nicht durch die einzelne Lehrkraft kompensiert werden. (vgl. ebd.)

Insgesamt werden die Ursachen in den drei Bereichen Individuum, schulisches sowie familiäres und soziales Umfeld gesehen. Dort kommen jeweils verschiedene Risikofaktoren zusammen, die zu Schwierigkeiten beim Mathematiklernen führen können (vgl. Abb. 1). Als Lehrkraft ist der Einfluss auf das schulische Umfeld am größten und stellt damit den Grundsatz auf, dass die „beste Prävention von Rechenstörungen […] ein guter Mathematikunterricht [ist].“ (Klewit/ Köhnk/ Schipper 2008, S. 12)

 

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Abb. 1: Risikofaktoren für Schwierigkeiten beim Mathematiklernen
(In Anlehnung an: Klewit/ Köhnk/ Schipper 2008, S. 12)

 

Abgrenzung von anderen Begrifflichkeiten

Dass am Förderzentrum der TU Dortmund von "Schwierigkeiten beim Mathematiklernen" gesprochen wird und nicht von "Dyskalkulie" basiert darauf, dass diese Betitelung für Schwierigkeiten grundlegender Kompetenzen die Ursachen in einer Krankheit bzw. beim Kind selbst sehen, wohingegen die Faktoren wesentlich vielfältiger sind. Ein Kind mit Schwierigkeiten beim Mathematiklernen kann beim Aufbau mathematischer Kompetenzen gefördert werden und muss nicht im Sinne einer Krankheit „behandelt“ werden.
Mit Schwierigkeiten beim Mathematiklernen ist eine Definition von schwachen Leistungen in Mathematik entstanden, die sich von "Rechenschwäche", "Dyskalkulie" und "Rechenstörung F 81.2" abgrenzt.
Rechenstörung F 81.2 ist die Definition der Weltgesundheitsorganisation für eine Entwicklungsstörung schulischer Fertigkeiten, die auf biologische Reifungsstörungen des Zentralnervensystems zurückgeführt wird. Damit wird hier von Ursachen ausgegangen, die beim Kind liegen und unterscheidet sich so von Schwierigkeiten beim Mathematiklernen, die auf vielfältige Faktoren zurückgeführt werden können. Kritisch zu bewerten ist bei der Definition der Rechenstörung außerdem, dass der Intelligenzquotient als Diagnosekriterium für Mathematikleistungen gesehen wird und eine defizitorientierte Sichtweise auf das Kind beinhaltet. (vgl. Freesemann 2014, S. 7ff.)

Der Begriff Dyskalkulie basiert auf der Annahme einer Krankheit, die betroffene Kinder haben. Damit wird die Förderung der Kinder an Mediziner, Psychologen und außerschulische Lerntherapeuten übertragen, die die „Krankheit behandeln“. Die Zuschreibung einer Krankheit an Kinder, die in Mathematik schwache Leistungen zeigen, fördert nicht ihre Lernbereitschaft und sollte daher vermieden werden. (vgl. Klewit/ Köhnk/ Schipper 2008, S.7; 13f.)

Rechenschwäche wird als Begriff im Kontext Schule gebraucht und beschreibt nach Lorenz und Radatz alle Kinder, die Förderung in Mathematik benötigen (vgl. Lorenz/ Radatz 1993, S.16). Durch die fehlende Definition von Dauer und Ausmaß des Förderbedarfs werden ca. 20 % der Kinder eines Jahrgangs als rechenschwach eingestuft, da Förderung in unterschiedlichem Ausmaß von vielen Kindern benötigt wird. Nicht alle dieser Kinder haben grundlegende Schwierigkeiten beim Mathematiklernen. Ihre Schwierigkeiten begrenzen sich mitunter auf einen Teilbereich oder treten vorübergehend auf. Dabei können sie z.B. durch individuelle Lebenslagen der Kinder bedingt sein. (vgl. Klewit/ Köhnk/ Schipper 2008, S. 13)

Je nach Definition sind die Häufigkeiten der Begriffe für schwache Mathematikleistungen verschieden und variiert von 5-6 % von Kindern mit Dyskalkulie und 15 % förderungsbedürftiger Kinder in jedem Jahrgang. (vgl. Das Recheninstitut zur Förderung mathematischen Denkens o.J.)

 

Literatur:

Das Recheninstitut zur Förderung mathematischen Denkens (Hrsg.) (o.J.): „Rechenschwäche?“ – „Rechenstörung?“ – „Dyskalkulie?“ Ein wissenschaftlicher Streit – nicht nur um Worte!
http://www.recheninstitut.at/mathematische-lernschwierigkeiten/allgemeines/begriffsklaerung/ [09.06.2017]

Freesemann, Okka (2014): Schwache Rechnerinnen und Rechner fördern. Eine Interventionsstudie an Haupt-, Gesamt- und Förderschulen. Wiesbaden: Springer Spektrum.

Lorenz, J. H./Radatz, H. (1993): Handbuch des Förderns im Mathematikunterricht. Hannover: Schroedel.

PIKAS (Hrsg.) (o.J.): Wie kann ich eine Rechenschwäche bei meinen Schülern erkennen?
http://pikas.dzlm.de/upload/Material/Haus_3_-_Umgang_mit_Rechenschwierigkeiten/IM/Informationstexte/H3_IM_Wie_kann_ich_eine_Rechenschwache_erkennen.pdf [09.06.2017]

Klewitz, Gudrun/ Köhnke, Angelika/ Schipper, Wilhelm (2008): Rechenstörungen als schulische Herausforderung Handreichung zur Förderung von Kindern mit besonderen Schwierigkeiten beim Rechnen. Potsdam: G & S Druck und Medien GmbH.

 

Weiterführende Literatur und Linktipps:

Schipper, Wilhelm (2005): SINUS-Transfer Grundschule. MATHEMATIK. Modul G 4: Lernschwierigkeiten erkennen – verständnisvolles Lernen fördern. Kiel: o.V.